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Vorwort zu Band 2

In Band 1 unseres Dossier Verschwörungstheorie ging es um die systematische argumentative Analyse von Verschwörungstheorien. Wir plädieren aus nüchtern-wissenschaftstheoretischer Perspektive dafür, Verschwörungstheorien erst einmal ernst zu nehmen und jede für sich auf Sinnhaftigkeit und Qualität zu prüfen. Es geht um diese Leitfragen:

  • Was ist eigentlich eine Theorie?
  • Was zeichnet eine gute Theorie aus?
  • Woran erkennt man eine schlechte Theorie?
  • Wann haben wir es mit einer Pseudo-Theorie zu tun?

Das Ergebnis: Es gibt gute und zutreffende sowie schlechte und falsche Verschwörungstheorien – und Pseudo-Theorien, die nicht einmal die Mindestanforderungen erfüllen, um als Theorie zu gelten.[1]

Worum geht es in diesem Buch?

Band 2 knüpft an diese Erkenntnisse an uns stellt schlechte Verschwörungstheorien bzw. Pseudo-Theorien in den Mittelpunkt. Diese haben ein beachtliches Schadenspotential und können sehr gefährlich werden: Woran liegt das und was können wir dagegen tun? Darauf geben wir in diesem Buch die Antwort. Wir orientieren uns dabei an den folgenden Leitfragen:

  • Was macht gewisse Verschwörungstheorien so gefährlich?
  • Welche Strategien und Manipulationstaktiken werden immer wieder eingesetzt, um unhaltbare Verschwörungstheorien als respektable Theorien zu tarnen?
  • Warum fallen immer wieder so viele Menschen auf diese Tricks herein und glauben an unhaltbare Verschwörungstheorien und Pseudo-Theorien?
  • Warum handeln Menschen sogar immer wieder auf Basis dieser schlechten Theorien?
  • Wie diskutiert man mit Menschen, die ernsthaft an unhaltbare Verschwörungstheorien glauben?
  • Welche Rolle spielen Verschwörungstheorien im Extremismus?
  • Wie können wir als offene Gesellschaft die Waffe Verschwörungstheorie wirkungsvoll entschärfen?

Warum ist das wichtig?

Die gesellschaftliche Debatte zu und über Verschwörungstheorien ist emotional aufgeheizt, unübersichtlich und von Oberflächlichkeit, Vorurteilen und Stereotypen geprägt. Man sieht das alleine schon daran, wie schnell und oft der Ausdruck Verschwörungstheorie als Wortkeule eingesetzt wird, um unliebsame Positionen verächtlich oder unliebsame Personen mundtot zu machen.

Auch und gerade dann, wenn diese Personen gute Argumente, kluge Fragen und berechtigte Anliegen haben. Darin sehen wir eine enorme Fehlentwicklung: Die offene Gesellschaft lebt von Kontroverse, Widerspruch, Meinungsvielfalt und Diskussion.

Sie hat viel Platz für Menschen, die gegen den Strom schwimmen, ihre Mitbürger argumentativ fordern und herausfordern, deren Geduld und Nerven strapazieren.

Dieser Fehlentwicklung liegt eine weit verbreitete Denkfalle zugrunde, das Strohmann-Argument:

  • Besonders schlechte und absurde Verschwörungstheorien werden immer wieder als repräsentativ für alle hingestellt. Damit sollen dann auch gute Verschwörungstheorien diskreditiert werden.

In Band 1 haben wir ausführlich gezeigt, dass es sehr viele gute und zutreffende Verschwörungstheorien und sehr seriöse Verschwörungstheoretiker gibt – und überhaupt keinen Grund, diese aus der Debatte auszuschließen.


[1] In Kapitel 0 dieses Buches fassen wir die wesentlichen Ergebnisse aus Band 1 zusammen.

[2] Im Verlauf des Buches werden wir unsere Antwort natürlich präzisieren und ausführlich begründen.

Welche Position vertreten wir?

Das führt natürlich sofort zur nächsten Frage: Wie ist die mangelhafte argumentative Qualität unserer gesellschaftlichen Debatte zu erklären? Ganz einfach: Die Diskussion leidet unter anderem an einer Vielzahl von Denkfallen und schlechten Theorien zu Auftreten und Stabilität unhaltbarer Verschwörungstheorien:[2]

  • Die Psychogramm-Falle: Herzstück des Erklärungsversuchs sind bestimmte psychische Eigenheiten, Auffälligkeiten oder ein besonderer Persönlichkeitstyp der Vertreter von Verschwörungstheorien.
  • Die Soziogramm-Falle: Kern der angeblichen Erklärung sind gewisse soziale Charakteristika oder die Beschreibung eines verschwörungstheoretischen Milieus.
  • Die Polit-Falle: Man versucht bestimmte politische Einstellungen mit schlechten Verschwörungstheorien in Verbindung zu bringen und das Phänomen so zu verstehen.
  • Die Journalismus-Falle: Über Verschwörungstheorien wird unter dem Blickwinkel Alarmismus, Oberflächlichkeit und politische Überkorrektheit berichtet. Das schafft Zerrbilder.
  • Die Experten-Falle: Wenn Experten für Extremismus oder Radikalisierung Verschwörungstheorien untersuchen, dann wird leicht die ganze Bandbreite des Phänomens und der Blick über den Tellerrand vergessen.

Wir setzen diesen Fehlentwicklungen erneut eine philosophisch-nüchterne argumentative Analyse entgegen und kommen zu folgenden Ergebnissen:

  • Schlechte Verschwörungstheorien beruhen auf denselben Manipulationstaktiken und Denkfehlern, die wir aus dem Alltag und vielen anderen Bereichen sehr gut kennen: Esoterik, Religion, „alternative Heilmethoden“ …
  • Diese alltäglichen Denkfehler sind weit verbreitet und keinem speziellen Persönlichkeitstypus oder sozialem Milieu, keiner bestimmten politischen Richtung oder irgendwelchen Extremismen zuzuordnen.
  • Schlechte Verschwörungstheorien finden bei uns außerdem einen reichhaltigen gesellschaftlichen Nährboden positiv belegter und bisweilen sogar als vorbildlich hingestellter Formen der Irrationalität.
  • Schlechte Verschwörungstheorien sind also kein Phänomen sui generis, sondern schlicht und einfach eine von vielen Ausprägungen menschlicher Irrationalität und somit der conditio humana.

An diesen Einsichten orientiert sich dann unser Lösungsansatz:

  • Das Menschheitsprojekt Aufklärung, die Orientierung an rationalem Denken, Entscheiden und Handeln in allen wichtigen Fragen ist unsere Leitidee.

Lieber Sigi Schawe, wir bedanken uns herzlich bei Dir als dem zuverlässigsten aller Testleser für die vielen Anregungen. Sie haben das Buch deutlich besser gemacht. Allerdings bist Du jetzt auch für alle unsere Fehler verantwortlich!

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