Fragen an Andreas Edmüller

Hat man Sie auch schon einmal als Verschwörungstheoretiker bezeichnet?

Ja klar – schon öfters. Wer zur Zeit kontroverse Themen diskutiert, kann das wohl kaum vermeiden. In der Regel ist das ein Ausweichmanöver von Leuten, die sich nicht mit einer für sie unangenehmen Theorie auseinandersetzen wollen.

Wer mich näher kennt, kann sich schon denken, um was es da gehen könnte: Ich habe z.B. gute Argumente für die Theorie, dass unser Rechtsstaat beim Thema Kindesmissbrauch durch Priester nicht funktioniert und die Kirchen auf skandalöse und systematische Weise schont bzw. ihnen rechtsfreien Raum gewährt. Ich bin auch überzeugt davon, dass die aktuellen Entwicklungen auf den Finanzmärkten am besten durch gezielte Manipulation der Noten- und Zentralbanken erklärt werden können. Dafür habe ich gute Argumente – aber die mag auch nicht jeder hören.

Tatsache ist: Es gibt Verschwörungen und somit zutreffende Verschwörungstheorien und ernstzunehmende Verschwörungstheoretiker. Worauf es ankommt, das ist die Spreu vom Weizen zu trennen – und genau darum geht es im Buch.

Ärgert es Sie, manchmal als Verschwörungstheoretiker eingeschätzt zu werden?

Eher nicht – ich habe als Argumentationsexperte ein recht solides Selbstbewusstsein und bin es gewohnt, unbequeme Ansichten zu vertreten. Dieses Ausweichen werte ich eher als Zeichen der Schwäche und argumentativen Hilflosigkeit, als eine Art Flucht aus der rationalen Debatte. Ich finde es schade, dass man mit solchen Mätzchen Zeit verschwendet, die man besser für eine sinnvolle und lehrreiche Diskussion verwenden könnte.

Was mich tatsächlich ärgert ist, dass mit dem Blockadebegriff Verschwörungstheoretiker oft wichtige gesellschaftliche Diskussionen verhindert und seriöse Aufklärer mundtot gemacht werden sollen. Ein paar konkrete Beispiele dafür finden sich im Buch. Mein Ideal: Jede Theorie sollte ganz nüchtern und handfest nach rationaler Argumentationslage bewertet werden – nicht nach Wunschdenken, emotionaler Befindlichkeit oder Hysteriepegel.

Wie schätzen Sie die Gefahren von Verschwörungstheorien für unsere Gesellschaft ein?

Die bei vielen Journalisten und Autoren verbreitete Panik- und Weltuntergangsstimmung teile ich nicht. Die Welt wird nicht an QAnon oder den Querdenkern zerbrechen – auch wenn deren Schadenspotential beträchtlich ist. Ja, bestimmte Verschwörungstheorien sind gefährlich – aber das Leben ist eh voller Gefahren und da haben wir schon ganz andere Sachen gemeistert.

Wie ordnen Sie Verschwörungstheorien als gesellschaftliches Phänomen genau ein?

Ich sehe unhaltbare Verschwörungstheorien als eine von mehreren Erscheinungen, die in einer recht weit verbreiteten und ganz grundsätzlichen Irrationalität oder Arationalität unserer Gesellschaft und vermutlich der ganzen Menschheit wurzeln. Viele Leute tun sich aus verschiedenen Gründen schwer damit, ihr Leben an den Idealen der Aufklärung zu orientieren. Andere lehnen diese Ideale einfach ab. Deshalb werden uns Phänomene wie Esoterik in all ihren Facetten (mittlerweile eine Milliardenindustrie), Rassismus, Religionen, Sekten, Pseudo-Heilmethoden und eben auch Verschwörungstheorien immer beschäftigen.

Zu unterschiedlichen Zeiten treten halt die einen mal mehr und die anderen mal weniger auffällig und aggressiv auf. Man kann nur hoffen, auf Dauer ihr Gefahrenpotential in den Griff zu bekommen. Und in dieser Hinsicht bin ich sehr zuversichtlich: Wir sind da bei langfristiger Betrachtung insgesamt auf einem holprigen aber guten Weg – die Säkularisierung von Moral, Gesellschaft und Staat ist das herausragende Erfolgsmodell. Diesen Aspekt des Themas werden wir übrigens im zweiten Band ausführlich beleuchten.

Können Sie das an einem Beispiel erläutern?

Da gibt es sogar ein brandaktuelles Beispiel. Einige Impfgegner sind tatsächlich Verschwörungstheoretiker: Sie glauben, dass uns bei der Impfung ein Chip von Bill Gates eingepflanzt wird. Andere verweigern die Impfung, weil sie deren wissenschaftliche Erklärung nicht verstehen oder verstehen wollen: Sie halten die Impfung für schädlich oder risikoreicher als die Krankheit selbst. Wieder andere glauben daran, dass eine Impfung ein unzulässiger Eingriff in den Heilsplan einer Gottheit darstellt und Hoffen & Beten die eigentlich angemessene Reaktion auf das Virus darstellt. Dann gibt es Zeitgenossen, die andere Methoden für viel wirkungsvoller halten, z.B. die Einnahme von Globuli oder irgendwelchen anderen Substanzen … Das sind zwar nur einige Facetten der Sachlage – sie veranschaulichen die Problematik aber sehr gut. Allen gemeinsam ist eine grundsätzliche Skepsis gegenüber dem naturwissenschaftlich geprägten Welt- und Menschenbild der Aufklärung.

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